Mittwoch, 10. November 2010

Bush´s Decision Points: a book of fairytales

Die Weltöffentlichkeit schien nicht gerade auf die Memoiren des 43. US-Präsidenten George W. Bush gewartet zu haben. So wurde die Erwartungshaltung auch nicht enttäuscht. Diese Erinnerungen sind das Papier nicht Wert, auf dem sie gedruckt worden sind. Denn was Bush dort zum Besten gibt, ist nur ein kleiner Ausschnitt der politischen Realität seiner Präsidentschaft. So wie seine achtjährige Regierungszeit von ideologischen Zerrbildern bestimmt war, so sollen seine Erinnerungen diese jetzt weißwaschen. So simpel sein Weltbild ist, so einfach sind auch seine Ausführungen. Dieser Präsident, der die USA in zwei Kriege geführt hat und über die überfallenen Länder Elend, Chaos, Tod und Verderben gebracht hat, ist sich keiner Fehler bewusst. Nur seine Enttäuschung ist gelieben, dass man im Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden hat. "No one was more shocked and angry than I was when we didn´t find the weapons. I had a sickening feeling every time I thought about it. I still do."

Die Folter von angeblich Verdächtigen durch „waterboarding“ und anderer Grausamkeiten in den Kerkern in Irak und Afghanistan war nach Bush „damn right“. Auch sein Vize-Präsident Dick Cheney hatte sich schon vor Monaten öffentlich als ein starker Befürworter dieser Foltermethode geoutet.“I was a big supporter of waterboarding“, so Cheney auf ABC News im Februar 2010. Eine Anklage nach Sektion 2340 A des US-amerikanischen Strafgesetzbuches wäre längst fällig gewesen. Nach Bushs Lesart ist das Gefangenenlager auf Kuba eine Art Fünf-Sterne-Wellness-Hotel. Wenn es dort so erholsam für die Gefangenen ist, warum machen Bush und Cheney nicht einmal dort eine Woche auf Kosten der US-Regierung Erholungsurlaub, inklusive „waterboarding“ versteht sich? Da das simulierte Ertrinken nach Bush „keine Dauerschäden“ hinterlasse und sehr „effektiv“ sei, sollte diese Methode doch in den US-amerikanischen „Verhörkanon“ aufgenommen werden.

Bush präsentiert seine Sicht der Dinge selbstgerecht. Das Problem ist jedoch, dass die Fakten ihnen im Wege stehen. Er betreibt massiv Legendenbildung, damit spätere Historikergenerationen seine verheerende Präsidentschaft in einem besseren Licht erscheinen lassen können. Dass 9/11 seiner Präsidentschaft einen „Sinn“ gegeben hat, ist nicht zu bezweifeln. Über seine apokalyptischen und transzendenten Eingebungen, die seine Entscheidungen mitbestimmt haben, schweigt er; auch über den lange vor 9/11 geplanten Überfall auf den Irak. Was Bushs Irak-Überfall für das Land und die Menschen bedeutet, kann er in dem Buch „Erasing Iraq“ des australischen Journalisten Michael Ottermann nachlesen.

Wie er denn die völlige Verwüstung des Irak zu einer „Erfolgsgeschichte“ erklärt. Bushs Memoiren belegen einen Realitätsverlust, den auch schon seine Präsidentschaft ausgezeichnet hatte. Dass Bush den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder quasi als Lügner hinstellt, weil er ihn angeblich getäuscht habe, und sich nicht an dem völkerrechtswidrigen Überfall auf den Irak beteiligt hat, zeugt von Bushs einfach gesticktem Weltbild. Der Alt-Kanzler hat Bushs Version umgehend als unwahr zurückgewiesen. Selbst wenn Schröder Ende Januar 2002 im Weißen Haus Bush indirekt eine Zusage für den „cakewalk“ gegeben haben sollte, so stellte sich schon im Laufe des Jahres 2002 immer deutlicher heraus, dass alle US-amerikanischen Begründungen für einen Überfall konstruiert worden waren. Im Gegensatz zum Ex-Kanzler überhäuft Bush seinen „Pudel“, den britischen Ex-Premier Tony Blair, mit Nettigkeiten.

Bush schreibt auch, dass er dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert kein grünes Licht zur Bombardierung einer angeblichen syrischen Nuklearanlage gegeben habe, aber Olmert habe getan, was er für die Sicherheit Israel tun musste. Bushs Nichtzustimmung hatte keinerlei Folgen für Israel. Welche Schlüsse könnte eine israelische Regierung aus dieser Haltung in Bezug auf eine mögliche Attacke gegen Irans Atomindustrie ziehen?

Bush lässt die Leserinnen und Leser auch an viel Persönlichem teilhaben, was ihn sympathisch macht. Auch wie er mit seinen Schwächen und Fehlern umgeht, könnte vermuten lassen, dass er auch bei ernsten Dingen eine gewisse Nonchalance an den Tag gelegt hat, davon ausgenommen selbstverständlich die 9/11-Anschläge. Memoiren bringen es mit sich, dass sie ein geschöntes Bild einer Präsidentschaft der Nachwelt vermitteln sollen, und davon bietet das Bush-Buch eine große Anzahl. Ein wertloses Buch, dass aber viel über einen irrational handelten Präsidenten aussagt. Dass viele US-Amerikaner auch noch 35 $ für diese Fairytales ausgeben, ist das Bemerkenswerteste, aber überraschend ist es wirklich nicht. Von einer Übersetzung in andere Sprachen ist abzuraten, weil man diese konstruierte "Wahrheit" nicht unbedingt wissen braucht.