Sonntag, 11. Dezember 2011

In memoriam Frantz Fanon

Vor 50 Jahren, am 6. Dezember 1961, starb Frantz Fanon. Post mortem erschien „Die Verdammten dieser Erde“. Neben „Black Skin, White Masks“ gehörte es zu denjenigen Schriften, die die antikolonialen Befreiungsbewegungen nicht nur in der „Dritten Welt“, sondern auch in den westlichen Metropolen inspirierten. In „Black Skin, White Masks“ analysiert er die traumatischen Folgen des Minderwertigkeitskomplexes der Menschen in den Kolonien und wie dieser zur Identifikation mit der Ideologie der Kolonialisten führt. Dass erneute Lesen seiner Werke, erscheint für den Leser wie ein déjà-vu.

Im Lichte der neuen US-amerikanisch geführten Politik des Neo-Kolonialismus und Imperialismus ist Fanon aktueller denn je. Beide Bücher können jedoch nicht als Blaupause für den Widerstand gegen westliche Hybris herhalten, da, wie Fanon schreibt, jede Generation ihre eigenen Schlüsse aus einer konkreten politischen Situation ziehen müsse. In der Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion hat sich die US-„Hypermacht“ auf neue koloniale Abenteuer eingelassen. Ein muslimisches Land nach dem anderen wird überfallen, oder es wird durch einen nicht-erklärten Drohnenkrieg – gesteuert aus dem CIA-Hauptquartier oder von Militärstützpunkten in Nevada – attackiert. Jüngstes Beispiel dieser US-Aggression ist Iran, dessen Führung man unterstellt, mit dem Bau von Nuklearwaffen beschäftigt zu sein, obgleich sie dies immer als „unislamisch“ zurückgewiesen hat und bis dato kein einziger glaubhafter Beweis für einen solchen Bau vorgelegt worden ist. Trotzdem sieht sich das Land zahlreicher obskurer Attacken ausgesetzt, wie das jüngste Einfangen einer US-Spionagedrohne über Iran zeigt.

Der auf der Karibik-Insel Martinique Geborene gilt als radikaler Humanist und als ein Vertreter absoluter Gleichberechtigung. Jeder Mensch habe das gleiche Recht, an der gemeinsamen Welt mitzuarbeiten. Den Status-quo als definitiv anzuerkennen, lehnte Fanon ab. Er schuf das „revolutionäre Subjekt“, das als Gegenentwurf zur „strukturellen Gewalt“ der Kolonialisten auftreten sollte. Sie verweigerten den Kolonisierten die Aufnahme als gleichwertige und gleichberechtigte Bürger in deren heile weiße Welt. Fanon entwickelte seine Theorien nicht für seine Heimat Martinique sondern für Algerien, das unter französischem Kolonialjoch zu leiden hatte.

Mit 27 Jahren schrieb er „Black Skin, White Masks“, das 1952 veröffentlicht worden ist. Erst nach seinem Tod und durch die Übersetzung ins Englische wurde es 1967 weltweit bekannt und avancierte zur „Bibel“ der Studentenbewegung. Das Buch inspirierte all diejenigen, welche sich für die “Idee eines schwarzen Bewusstseins“ einsetzten wie z. B. Martin Luther King, der ein Jahr später ermordet worden ist. Fanons Entrüstung richtet sich nicht nur gegen „den schwarzen Mann, der seine Rasse weiß machen will”, sondern auch gegen das Image eines idealisierten „Negros“, der eine Erfindung der Weißen ist. Fanon benutzt den Begriff „weiß“ als exemplarisch für die „europäische Zivilisation und deren Repräsentanten“ und „schwarz“ für alles nicht-westliche im Allgemeinen.

Fanons Werke können heute als ein Leitfaden gegen den Termidor (Periode der Reaktion, die auf eine Revolution folgt) gelesen werden, der ein Land nach dem anderen, sei es in Afrika oder dem Nahen und Mittleren Osten zurückerobert entweder durch die direkte Intervention westlicher Mächte oder durch indigene Proxys, die gegen die Interessen ihrer Völker handeln. Im Sinne von Fanon wird die Souveränität der „schwarzen“ (nicht-westlichen) Völker wiederum missachtet. Ihn als einen Befürworter von Gewalt zu bezeichnen, missinterpretiert sein Werk. Fanon hat auch niemals behauptet, dass Formen antikolonialer Revolution eins zu eins auf den Westen übertragbar seien. Dass seine Aussagen zur Anwendung brutaler Gewalt missbraucht worden sind, scheint eher der Romantik seiner irregeleiteten „Jünger“ geschuldet zu sein. Fanon war seiner Zeit weit voraus, weil er sich dafür aussprach, dass jede Gesellschaft ihre Unterschiede frei leben solle. Dies ist ein Grund, warum er von vielen bewusst missverstanden und abgelehnt wird.