Mittwoch, 17. Juli 2013

Al Imfeld, Auf den Straßen zum Himmel

Imfeld erzählt zunächst von der Rekrutierung von Schweizern für die Mission in Afrika oder China. Er wuchs in der Innerschweiz als ältestes von 13 Kindern auf einem Bauernhof auf. Die so genannten Missionsjäger, heute würde man sie als „religiöse Headhunter“ bezeichnen, öffneten mit ihrem Angebot den Schweizer Bauernbuben das Tor zur Welt. Imfeld ging selbst, wie seine Schwester Hanni, als Missionar in das damalige Rhodesien. Bei seiner Erzählung kommt ihm sein gesellschaftskritischer Hintergrund zugute. Folglich haftet seinen Berichten nichts Idealisierendes oder Romantisierendes an, dafür ist der langjährige Entwicklungsberater für Afrika zu sehr Profi und hat sich sein kritisches Bewusstsein gegenüber der Amtskirche und der Entwicklungshilfeindustrie bewahrt.

Weder die Missionare noch die Entwicklungszusammenarbeit hätten sich jemals geistig auf Afrika eingelassen, schreibt er. Die Patres und Fratres kamen und gingen, „die Missionsschwestern waren die Mütter Gottes in der Gegenwart“, in völliger „Anonymität“ taten sie ihre Pflicht. Am Beispiel seiner Schwester Hanni (Schwester Berthilde) zeigt der Autor, wie sich die Ordensschwestern in Afrika um die „weißen Herrensöhnchen“ kümmern mussten, „weil es Gott es so wolle“, wie es die Oberin gegenüber Imfeld ausdrückte. Für den Autor ist die Mission ein „himmeltrauriges“ Vermächtnis, dennoch habe es immer wieder Missionare und Missionarinnen gegeben, die Außergewöhnliches leisteten. 

Auch Skurriles weiß Imfeld zu berichten. So schreibt er über einen gutmeinenden eifrigen Missionar in Simbabwe, dessen „Anpassungsmanie“ die Menschen erboste. Er habe sich an etwas angepasst, das gar nicht existierte. Entstanden sei eine paradoxe Situation: Die Gläubigen hätten sich „an zwei Sachen anpassen müssen: einmal an eine von P. Paul neu erfundene Shona-Kultur und dann an ein Christentum, das sie sehr wohl begriffen, das sie aber nicht so leben konnten, wie sie es spürten, denn sie mussten sich mit P. Paul an das anpassen, was dieser für anpassungswürdig hielt.“ Von solch „gutmeinender“ Akkulturation hält der Autor nicht viel. 

Imfeld erläutert an zahlreichen Beispielen das Erbe der Mission. In einigen Ländern Westafrikas wie Nigeria sei Jesus allgegenwärtig, im Norden komme noch Allah hinzu. Auf Ghanas Straßen werde man überall an den Heiligen Geist erinnert. Das Land werde beherrscht von Handys, Kirchen und Politikern. „Politiker, Prediger und Producers sind die neuen Menschentypen der schwammigen Freiheitsmystik.“ Ein Paradoxon bestimme die Realität: Man verdränge die Wirklichkeit bei gleichzeitiger Hoffnung auf eine neue bessere Welt. 

Neben seiner „Religionskritik“ zeigt sich der Autor auch skeptisch gegenüber den Errungenschaften der modernen Entwicklungsindustrie. Ein überaus lesenswertes und sympathisches Buch.

Zuerst erschienen hier