Samstag, 16. Juli 2016

Militärputsch-Versuch in der Türkei gescheitert

Ein Verbündeter Erdogans im Kampf gegen den Terror?
Dies war kein Putsch des türkischen Militärs, sondern eine Hand voll Generäle und zirka 30 Obristen inszenierten einen stümperhaften Staatsstreichversuch. Bei so viel Dilettantismus drängt sich die Frage geradezu auf, ob es nicht ein Coup unter falscher Flagge gewesen ist. In der Türkei hat es bisher drei "erfolgreiche" Staatsstreiche der türkischen Armee gegeben.

Der Putsch lief außerhalb der Befehlskette ab, darauf deutet die Geiselnahme des Generalstabschefs Hulusi Akar und die Kaperung weiter hoher Militärs hin. Ohne die volle Unterstützung der Armee war das Unternehmen zum Scheitern verurteilt. Auch der Massenauflauf der türkischen Bürger, die sich den wenigen Panzern entgegenstellten und diese in Besitz nahmen, spricht dafür, dass das "Modell" Putsch für die Zukunft erledigt ist. Auch die drei Oppositionsparteien haben umgehend den Putsch verurteilt. 

Der aus dem Urlaub heimgekehrte Präsident Erdogan sprach umgehend von "Hochverrat". Man bedauerte, dass es in der Türkei zur Zeit leider keine Todesstrafe gebe. Forderungen nach deren Einführung wurden nach den Terroranschlägen lautstark erhoben. Die Verantwortlichen und die Hintermänner hätten einen hohen Preis für ihre Taten zu zahlen. Erdogan kündigte umgehend ein "Säuberung" auf allen Ebenen der Gesellschaft an. Davon sind in erster Linie das Militär, die Richterschaft und die zahlreichen politischen Gegner Erdogans betroffen. 2 900 Militärs sind bereits verhaftet worden. Sechs haben sich nach Griechenland abgesetzt und politisches Asyl beantragt. Insgesamt gab es 265 Tote und 1500 Verwundete. 

Der alleinige Gewinner dieses Putschversuches ist Erdogan. Jetzt beginnt das große Reinemachen in der Türkei. Jeder, der nicht für Erdogan ist, ist gegen ihn! Seinen ärgsten Widersacher, den Prediger Fethullah Gülen, und dessen Anhänger wurden bereits indirekt für den Putsch verantwortlich gemacht. Gülen war einer der engsten Vertrauten von Erdogan, bis er mit dessen autokratischem Gehabe nicht mehr einverstanden war und ins Exil in die USA ging. Sie alle werden jetzt den Erdowahn eines aufgeputschten Erdogan zu spüren bekommen. 

Bei Erdogans größenwahnsinnigem Gebaren der letzten Jahre ist der demokratische Weg einer Türkei wenig wahrscheinlich. Erdogan wird jetzt seine Vorstellungen von eine Präsidialdiktatur umso leichter verwirklichen können, da er seine Kritiker, die ihm Menschrechtsverletzungen und die Einschränkung demokratischer Rechte wie Pressefreiheit u. ä. vorwerfen, mundtot machen. Fast alle relevanten Staats- und Regierungschefs haben den Putsch verurteilt. 

Die Frage kann jedoch gestellt werden, wie der Westen und hier insbesondere die USA regiert hätten, wäre dieser Putsch erfolgreich gewesen. Formal dürfen die USA mit keiner Putschregierung zusammenarbeiten. Im Augenblick benutzen die westlichen Streitkräfte den türkischen Militärstützpunkt Incirlik für ihren "Antiterrorkrieg". Erdogan ist somit ein wichtiger "Verbündeter" in diesem Kampf, obwohl viele Indizien darauf hindeuten, dass er einer der größten Förderer des Islamischen Staates (IS) neben Saudi-Arabien ist. Bevor man den IS aus dem Irak und Syrien nach Europa bombt, hätte man gegen die beiden engen "Alliierten" und Terror-Paten vorgehen sollen. Aber warum sollen die USA gegen ihre eigenen Kreationen vorgehen? 

Den USA und seinen westlichen Verbündeten wäre bei einem erfolgreichen Putsch schon einiges eingefallen, um die Kooperation fortzusetzen. Beispiele liefern die USA zur Genüge, wie das Chile unter Pinochet, das Marcos-Regime auf den Philippinen, Ägypten unter Militärdiktator as-Sissi, die salfistisch-wahabitische Diktatur in Saudi-Arabien oder die arabischen autokratischen Regime zeigen. Die "guten" Diktatoren waren schon immer die besten Freunde des US-Imperiums.

Ob die westlichen Ermahnungen Erdogan von seinem Weg in die Präsidialdiktatur abbringen werden, scheint eher unwahrscheinlich. Wie erpressbar der Westen bereits geworden ist, zeigt das Verhalten von Kanzlerin Merkel, die bei diesem neoosmanischen Sultan schon zum wiederholten Male Bittprozessionen abhalten musste, damit er nicht weitere Flüchtlinge auf die Reise nach Deutschland schickt. Eines sollte jedoch für die politische EU-Nomenklatura feststehen: Sollte Erdogan weiter die Türkei in eine autokratische Ein-Mann-Diktatur verwandeln, sind die Aufnahmeverhandlungen umgehend und für immer zu beenden.